Sonntag, 30. Juni 2013

Erde auf dem Teller



Während des Besuches des Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Kulturforums östliches Europa Winfried Smaczny aus Potsdam, ließ es sich meine Großmutter nicht nehmen, ihn und seine Ehefrau zu einem Abendessen zu sich nach Hause einzuladen. Man könne ja keinesfalls ein paar Tage in der Slowakei verbringen ohne wenigstens einmal das slowakische Nationalgericht Bryndzové halušky (Brimsennocken) probiert zu haben, erklärte meine Großmutter und schwang sich sogleich die Schürze um. 

Selbstverständlich blieb es nicht allein bei der Zubereitung des erwähnten Gerichtes. Meine Großmutter, die ursprünglich aus Mähren stammt, reichte uns am kommenden Abend sogleich die traditionellen mährischen Küchlein aus Hefeteig. Der wohl duftende Mohnstrudel, den sie gerade frisch aus dem Ofen holte, vermischte sich mit dem unverwechselbaren Geruch von gebratenem Speck. 

Auf Porzellan mit kobaltblauem Zwiebelmuster – das Service darf in keiner tschechoslowakischen Familie fehlen - servierte sie wenig später die angepriesenen Brimsennocken. Dazu tranken wir Buttermilch. Vor und nach dem Essen wurde mehrfach mit Großvaters Sliwowitz, einem Schnaps aus hauseigenen Pflaumen, angestoßen. Mein Großvater forderte das Ehepaar Smaczny auf, die eigentlich keine übermäßig großen Esser sind, von den Nocken und dem Kuchen nachzunehmen und schenkte immer wieder großzügig aus der Sliwowitz-Flasche nach. Hungrig und ganz nüchtern blieb an jenem Abend wohl niemand…




Bryndzové halušky werden nahezu ausnahmslos von jedem Slowaken von Geburt an vergöttert. Meine Familie erlaubte sich immer wieder gerne einen kleinen Spaß mit den deutschen Männern, die wir über all die Jahren in unsere slowakische Heimat brachten. Ihnen wurde das Nationalgericht „zum Test“ serviert. Mochte der Gast das Essen, wurde er sofort zum „echten Slowaken“ deklariert. 


Doch woraus bestehen eigentlich diese hellockerfarbenen, glänzenden Nocken? Bryndzové halušky bestehen aus Kartoffeln, der Hauptingredienz der traditionellen slowakischen Küche. Für den Teig werden rohe Kartoffeln gerieben und mit Mehl und Salz vermischt. Den Kartoffelteig drückt man dann, wie auch bei österreichischen Eiernockerln, durch eine waagerechte, mit relativ großen Löchern versehene Reibe in einen Topf mit kochendem Wasser. Die im Topf hochschwimmenden Nocken werden kurz mit Wasser abgeschreckt und danach mit Brimsen, einem speziellen slowakischen Schafskäse vermischt. (Diesen Käse gibt es nur in der Slowakei zu kaufen. Da Brimsen nicht pasteurisiert wird, darf er nicht in die EU exportiert werden.) Nach klassischer Art werden die Kartoffelnocken mit angebratenem Speck und einem Klacks Schmand serviert. Es gibt auch andere Varianten mit Sauerkraut oder Dill. Zu den Brimsennocken trinkt man Buttermilch oder saure Milch.


Das traditionelle Gericht spiegelt das ländliche Leben in der Slowakei: Die Schafszucht, die noch bis heute betrieben wird, gehört  hierzulande zu den ältesten landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Das Schaf war das meistgenutzte Vieh. Es diente als Nahrungsquelle für Milch und Käse, aber auch für die Bekleidung der Menschen. Ab dem 14. Jahrhundert trug die Schafszucht zur Entwicklung verschiedener Zünfte bei, wie die Kürschnerei, Gerberei und Schusterei. 

Die Hirtenkultur stellt auch heute noch einen wichtigen Bestandteil in der slowakischen Folklore dar. Hirteninstrumente wie die Fujara, eine lange, senkrecht gehaltene Holzflöte, Schafsfelle auf dem Holzboden sowie Gobelins an den Wänden gehören zum klassischen Inventar auf den Almhütten.

Dem Ehepaar Smaczny haben die Brimsennocken jedenfalls geschmeckt. Ganz „erdverbunden“ sei das Essen gewesen, teilten sie mir auf dem Rückweg ins Hotel mit. Und ich war erleichtert, als mir Herr Smaczny am nächsten Morgen versicherte, dass ihm der Sliwowitz keinen Kater verursacht hatte…


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