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Samstag, 16. November 2013

Abschlussvideo Košice Artist in Residence


Das Abschlussvideo über meine Zeit als Stadtschreiberin ist online, K.A.I.R. Košice Artist in Residence hat es produziert:


K.A.I.R. Košice Artist in Residence ist ein Künstlerresidenzprogramm, welches mich in Kaschau aufgenommen und betreut hat. Als eines der Projekte des Europäischen Kulturhauptstadtjahres 2013 empfängt und entsendet die Organisation seit 2011 internationale Künstler für eine Dauer von 2-3 Monaten. 

Mehr Infos zu den Bewerbungsmodalitäten und zu den Residenzkünstlern gibt es auf www.kair.sk
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Mittwoch, 11. September 2013

Plötzlich ist September...


...und alles mit einem Mal anders. Die Luft zu früher Stunde hat eine mir bislang unbekannte, frische Note angenommen und kündigt die neue Jahreszeit an. Aufbruchstimmung. Meine fünf Monate als Stadtschreiberin von Košice sind vorbei. Noch schaue ich mich nach ihnen um und staune darüber, in welch rasendem Tempo sie vorbeigezogen sind. 

Am Morgen meines Auszugs aus dem ungarischen Thália Theater höre ich nach längerer Zeit wieder den Klang der Musikinstrumente aus dem Konservatorium gegenüber meiner Dachwohnung. Aus den geöffneten Fenstern der Klassenräume drängt die Melange aus Geigen und Trompeten zu mir herüber. Das neue Schuljahr hat begonnen. Die Musikkulisse, die mich bis zum Sommer während meines Aufenthaltes hier in Kaschau begleitet hat, ist wieder zum Leben erwacht, nach fast zwei Monaten anhaltendem Dornröschenschlaf. 



Die Sommerpause ist vorüber. Im ungarischen Theater wuseln die Angestellten erneut auf den Gängen. In zwei Tagen wird ein Dramaturg anreisen, sogleich darauf beginnen im Studio die Proben für das nächste Stück. 

Mitten in dem Treiben packe ich die letzten Bücher in meine Kisten und genieße ein letztes Mal den Ausblick auf den Elisabethdom und den Kirchturm des Dominikanerklosters. Die vielen orangefarbenen Dächer mit ihren Schornsteinen werden mir fehlen.


Als ich meine Koffer aus dem Theater trage und ins Auto meines Großvaters lade, bemerke ich die hübsch gekleideten Jungen und Mädchen, die lachend auf dem Schulhof ihre erste Pause nach den langen Sommerferien genießen. Anlässlich dieses ersten Schultags haben sie die schickste Garderobe aus dem Kleiderschrank geholt. Der feierliche Dresscode verstärkt meine ohnehin schon wehmütige Stimmung. 

Mit Berti, dem verschmitzt lächelnden Hausmeister werde ich nun nicht mehr plaudern; die monatlich wechselnden Frisuren der Concierge Valika nicht mehr bestaunen können. Die Angestellten des Theaters sind mir ans Herz gewachsen. Das Leben unter einem Dach mit dieser ungarischen Truppe, deren Sprache ich nicht verstehe, ist mir ein Zuhause geworden. Nun muss ich aufbrechen, Abschied nehmen und wieder einen Neuanfang wagen.

In die Wehmut mischt sich aber auch Freude und Dankbarkeit. Durch den fünfmonatigen Aufenthalt in Košice bekam ich die Gelegenheit diese Stadt, diese Region sowie meine slowakischen Wurzeln neu zu entdecken. Mir werden unvergessliche Momente und Begegnungen mit besonderen Menschen in Erinnerung bleiben.

– Und dabei bleibt noch so Vieles zu entdecken! Fünf Monate reichen kaum aus, über all meine Eindrücke in dieser Stadt zu schreiben. Doch Eines ist sicher: ich komme wieder!

Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank aussprechen an die vielen Menschen, die mir meine Tätigkeit als Stadtschreiberin in Kaschau/Košice ermöglicht haben. An erster Stelle gilt mein Dank dem Deutschen Kulturforum östliches Europa, welches das Stadtschreiberstipendium vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat. Mein besonderer Dank gilt dabei den Mitarbeitern Tanja Krombach und André Werner, die mir bei allen Fragen stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Ebenso danke ich der Kulturhauptstadtorganisation Košice 2013, dabei im Speziellen dem Künstleraustauschprogramm K.A.I.R. (Košice Artists in Residence). Dieses hat mich in der Stadt untergebracht und in das soziale Leben integriert. Für den herzlichen Empfang, die professionelle Betreuung und die unermüdliche Unterstützung vor Ort möchte ich Adela Foldynová und Zuzana Kotiková danken. Ohne diese beiden, ihren Freunden und Bekannten wäre mein Aufenthalt nur halb so anregend wie lebendig und mein Tagespensum bei Weitem nicht so ausgefüllt gewesen…


Meinem Freund danke ich für seine kritischen Anmerkungen zu meinen Texten, für seine Geduld und die offenen Ohren zu jeder Tageszeit. Auch danke ich meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, für ihre Unterstützung. Ohne die Liste endlos in die Länge ziehen zu wollen, bin ich nicht zuletzt auch den Lesern dankbar: ihre ermutigenden Leserbriefe sowie auch ihre aufmerksamen Hinweise haben mich stets beflügelt!

Danke und Ahoj!

P.S. Košice kehre ich noch nicht den Rücken. Für ein Folgeprojekt werde ich noch ein wenig hier verweilen und stürze mich sogleich voller Begeisterung ins nächste Abenteuer! 

P.P.S. Mehr zum Folgeprojekt sowie zu meinem Aufenthalt in der Kulturhauptstadt zu hören und zu sehen gibt es am 26.09 um 20 Uhr in der Öffentlichen Bibliothek Ján Bocatius, Hviezdoslavova 5. Ich freue mich auf eine persönliche Begegnung!

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Samstag, 31. August 2013

Zwischen Fressnapf und Farbtopf – über die zeitgenössische Kaschauer Kunstszene


Ich erinnere mich noch genau, wie ich Mirka (eigentlich Miriama) Kardošová zum ersten Mal begegnet bin. Es war beim Kulturmanager Treffen des Robert Bosch Institutes im April, kurz nach meiner Ankunft in Košice. Von einer „zeitgenössischen Kunstszene“ in der Stadt wusste ich bislang noch nichts und so schloss ich mich der Tour durch die „contemporary art scene in Košice“ an, die für die Kulturmanager organisiert worden war. Mirka führte damals die zehnköpfige Gruppe durch die Stadt.

Ich wusste von der jungen Slowakin bereits, dass sie selbst malte, weil mir ihre Bilder im Katalog des Künstleraustauschprogramms K.A.I.R. beim Durchblättern aufgefallen waren. Die blassen, unzugänglichen Gesichter, die düsteren Farben, eine diffuse, schemenhafte Szenerie, in der sie ihre Figuren in groteske, teilweise mehrdeutige Positionen setzt, sind mir im Gedächtnis geblieben.


Die Tour durch die „contemporary art scene in Košice“ hatten wir schnell hinter uns gebracht: Nach einer Stippvisite des Pyecka Studios, eine von Kunststudenten betriebene Galerie und zugleich das Zentrum des Street Art Communication Festivals*, besuchten wir einen Designshop, in dem Jungdesigner ihre selbstentworfenen Accessoires verkaufen. Am Ende landeten wir auf dem Gelände der Tabakfabrik in einer finsteren Halle, die sich D.I.G. Gallery nennt, eine Galerie für neue Medien. 

Als ich inmitten dieses schwarzen Saales die Orte der jungen Galeristen und Künstler noch einmal im Geiste durchlief, stellte ich erstmals überrascht fest, dass hier in meiner vermeintlich vertrauten Heimat gerade etwas vollkommen Neues entsteht. Die „contemporary art scene“ von Košice entwächst ihren Kinderschuhen, sie entpuppt sich aus ihrem Kokon. Langsam, kaum merklich, aber unaufhaltsam schreitet sie voran.

Führt das Kulturhauptstadtjahr zu einem Aufschwung der Kunstszene und verschafft es den jungen Künstlern mehr Präsenz? Stellt man Mirka diese Frage, nickt sie zwar, aber ihr Leben als aktive Künstlerin hat sich durch das Jahr 2013 nicht allzu sehr verändert. Sie half auf etlichen kulturellen Veranstaltungen aus, aber die Gelegenheit hier in Košice selbst auszustellen, hat sie zumindest in diesem Jahr noch nicht bekommen. „Das Kulturhauptstadtjahr gibt den Künstlern mehr Möglichkeiten sich zu präsentieren. Für Absolventen der Kunsthochschule bleibt es aber weiterhin nahezu unmöglich davon zu leben“, sagt die 25-Jährige.


Ich besuche Mirka in ihrer Wohnung in der Plattenbausiedlung „Nad Jazerom“. Sie hockt auf den Knien auf einem Kissen und arbeitet an ihrem Gemälde für einen Kunstwettbewerb. Ihr Freund nimmt es gelassen, dass der Gemeinschaftsraum dafür dauerhaft dem Atelier weichen muss. Doch nicht nur in diesem Raum, Mirkas Bilder sind überall in der Wohnung allgegenwärtig. Frauen- und Männergruppen tummeln sich auf ihren Gemälden. Die antagonistische Beziehung zwischen den Geschlechtern, ihre schwierige Kommunikation miteinander, das Zweideutige in ihren Handlungen sind wiedererkennbare Elemente in ihren Arbeiten.

Um zu überleben, jobbt die junge Kunstabsolventin in einem Hundesalon in der Innenstadt. Als ich eines Nachmittags vorbeischaue, ist der Laden gerade leer. Mirka nutzt die Gelegenheit für die Anprobe eines Kleides, welches sie für eine junge Balletttänzerin entworfen hat. Umgeben von Kauknochen, Säcken voller Hundefutter und Tierboxen wirbelt Mirka um die kleine Tänzerin herum und nimmt Maß an der zierlichen Gestalt. Das Klingeln an der Tür kündigt einen neuen Kunden an. Mirka eilt zum Tresen und verkauft ein Schild mit der Aufschrift „Achtung Hund“.


Dieses eine Leben ist beispielhaft für das junge Košice und die „contemporary art scene“. Sie entsteht in diesem Moment: in einer ehemaligen Tabakfabrik, einem Hinterhof oder auch, wenn’s sein muss, in einem Hundesalon. Umgeben von Fressnäpfen, zwischen alltäglichem Überlebenskampf und leidenschaftlicher Kreativität. Veränderungen entstehen eben oft nur auf diesem schmalen Grat.


Nachtrag
Das Kleid, welches Mirka für die Balletttänzerin entwarf, wird kommende Woche auf der Bazzart Design und Fashion Week präsentiert, welche vom 2.-8. September an diversen Orten in der Altstadt (Pyecka Studio, Synagoge auf der Glockengasse etc.) stattfindet. Nähere Infos zum Programm gibt es hier.

*Street Art Communication (SAC) Festival
Das Street Art Communication Festival fand in der Woche vom 19.-25. August zum fünften Mal in Folge in Košice statt. Es zieht Sprayer aus der ganzen Welt an. Nach und nach verändern die Künstler die grauen Fassaden der Stadt sowie die Akzeptanz der Bürger gegenüber Kunst im öffentlichen Raum.


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Freitag, 16. August 2013

Ein Stück Heimat im Gepäck


„Fühlst du dich hier Zuhause in der Stadt?“, werde ich oft gefragt. Mit "hier" ist Košice/Kaschau gemeint, die slowakische Stadt, in der ich zufällig geboren wurde. Zuhause. - Ist es das wirklich? Heimat. Welche Bedeutung kommt ihr zu, wenn Menschen meiner Generation ständig ihre Tasche packen und sich auf den Weg machen zum nächsten Projekt. Immer auf Achse. So frei und doch so rastlos zugleich. 

Neulich traf ich Peter Korchnak aus Portland, Oregon. Der gebürtige Kaschauer verließ vor zehn Jahren der Liebe wegen den europäischen Kontinent. Peter erzählte mir, wie er vor Kurzem seinen Job kündigte, sein Haus und Auto verkaufte, und nun ein Jahr lang mit seiner Ehefrau durch die Welt reist. Seiner Meinung nach ist Zuhause dort, wo die eigene Zahnbürste ist. Darüber schreibt er auch auf seinem Blog.

Es stimmt, viel Materielles braucht es gar nicht, um sich wohl zu fühlen, solange einen die Menschen herzlich empfangen. Auf einen Gegenstand könnte ich dennoch nie verzichten: Bei meinem Auszug aus dem Elternhaus bekam ich einen kleinen Espressokocher. Er begleitet mich seitdem auf Schritt und Tritt. Bei jedem Umzug landet er in meinem Rucksack. Und das schon seit acht Jahren.

Immer auf dem „Sprung“ zu sein und mit wenig Gepäck zu reisen, kennt auch József Tamás Balázs, kurz BaJóTa. Der ungarische Künstler hat ebenso wie ich für ein paar Monate in Košice Unterschlupf gefunden. Seinen Aufenthalt verdankt er dem internationalen Programm „K.A.I.R. – Košice Artists in Residence“. Das mehrmonatige Stipendium für Nachwuchskünstler beherbergte seit dem Jahr 2010 etwa 30 ausländische Künstler und schickte 20 junge Slowaken in die Welt.

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich BaJóTa das erste Mal im Fabricafe derTabačka Kulturfabrik“* begegnete. Es war Mitte April und BaJóTa, „der Neue“ Artist in Residence aus Budapest wandelte lautlos ins Café. Sein Gang war so unauffällig, als schwebte er über den Boden. Seine Art sich zu bewegen und zu reden war behutsam und bedächtig. Auf Anhieb erweckte BaJóTa meine Sympathie. 

Wir unterhielten uns über sein künstlerisches Projekt in Košice. Im Unterschied zu anderen kreativen Geistern, versank BaJóTa nicht in ellenlangen Selbstreflexionen über sein Werk, deren tieferen Sinn ich nur im Entferntesten erahnen konnte. Er sinnierte hingegen darüber, wie er seine großen, sperrigen Arbeiten nach Ausstellungsende von A nach B transportieren werde. Der junge Bildhauer berichtete von auseinandernehmbaren Holzelementen und handlichen Papierfalttechniken. Fast enttäuscht war ich von solch unfassbarer Bodenständigkeit eines Künstlers und bemerkte dabei gar nicht, dass die Ausführungen  Gegenstand seines eigentlichen Projektes waren. Zugleich waren sie auch seine intimsten Gedanken und Zweifel. Denn der Künstler erzählte von seinem rastlosen, zuweilen ratlosen Dasein, der fortwährenden Mobilität und Flexibilität, die er sich selbst abverlangte.

Letzte Woche konnte ich mir ein Bild davon machen, als BaJóTas Ausstellung in einer Halle auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik eröffnet wurde.




Der Künstler schreibt über seine Arbeit: “I deal with the subject of leaving your homeland. The keywords linked to the concept of the installation are: home and wanderlust, social integration, modern migration and cultural globalisation.” 

BaJóTa in seinem Studio

BaJóTa inspirieren die mobilen Holzzäune aus seiner Heimat im ländlichen Transsilvanien, mit denen Schafhirten von Wiese zu Wiese zogen. Diese mobilen Zäune und Schindeldächer aus Kiefernholz sind ihm seit Kindesbeinen vertraut. Für das Studium verließ BaJóTa seine Heimat. Jetzt holte er sie ganz nah zu sich zurück, und zwar direkt auf den Rücksitz seines kleinen roten Fiats. Ende August zieht BaJóTa mit seinen Kunstwerken weiter. Auf, zum nächsten Projekt.


Nachtrag


BaJóTas Ausstellung „Utopiatrap“ ist dienstags bis donnerstags von 17-19 Uhr bis zum 31.August zu sehen. (Ort: Strojárenska 3, durchs Eingangstor gelangt man über zwei Innenhöfe zur Ausstellung)

Das leerstehende Fabrikgelände wird von selbständigen Künstlern, Designergruppen u. a. für ihre Arbeiten zu günstigen Mietpreisen genutzt. Die Räumlichkeiten gehören dem Kulturzentrum des Selbstverwaltungsbezirkes Košice, welches dort auch ansässig ist.

Im Innenhof der ehemaligen Tabakfabrik
*Die „Tabačka Kulturfabrik“, befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik in der Nordstadt. Sie hat sich zu DEM Treffpunkt für die junge Künstlerszene entwickelt und stellt das alternative Pendant zur städtischen „Hochkultur“ dar. Neben Parties, Filmabenden, Theatervorstellungen und Vorträgen organisiert sie jährlich das Open Air Festival POKEfest. Die „Tabačka“ bringt ein Stück Industriekultur nach Košice und ist ein lebendiger, unabhängiger Raum für junge Kreative.

Im Innenhof des "Fabricafe Tabačka“
 

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Freitag, 19. April 2013

„Why does Julia Mensch need 20 kilos of apples?“


Diese etwas merkwürdige Frage lockt mich durch das Tor von Vítez in einen versteckten Hinterhof der Kaschauer Hauptgasse auf die Ausstellungseröffnung der argentinischen Künstlerin Julia Mensch.

Ich steige eine knarrende Wendeltreppe aus Holz hinauf und gelange in den Wandelgang, der mich zu einer kleinen Tür führt. Es ist der Eingang zum Pyecka Studio, eine junge Galerie, die sich auf Street Art und internationale Nachwuchskünstler spezialisiert hat. 

Mein erster Blick fällt auf zwei Netzsäcke gefüllt mit roten Äpfeln. Es ist das erste Exponat der Ausstellung „Salashi“. Der Ort "Salashi" ist zugleich Namensgeber und Thema der Ausstellung, in der die Künstlerin ihre eigene Familiengeschichte aufarbeitet. Die Räume im Pyecka Studio sind nur wenige Quadratmeter klein, doch die hohen gewölbten Decken des neugotischen Altbaus lassen sie groß erscheinen.

Julia Mensch, eine zierliche Person mit dunklen Haaren, steht angesichts der hohen Besucherzahl etwas schüchtern in der Ecke des Ausstellungssaals. Julia beginnt den vielen Besuchern ihrer Reise nach Salashi zu erzählen, zumindest jenem Teil, der Englisch versteht.

Die Reise der Argentinierin auf den Spuren ihres jüdischen und kommunistischen Großvaters Rafael beginnt vor acht Jahren in Buenos Aires und führt sie quer durch Europa bis in das ukrainische Dorf Salashi, dem Geburtsort und die Heimat ihrer argentinischen Familie. 

Ein beruhigendes Knacken dreier alter Dia-Projektoren begleitet Julias Erzählung, die im regelmäßigen Rhythmus Bilder an die Wand werfen. Kick-knack. Das nächste Foto erscheint. Es zeigt eine Hütte inmitten von Wäldern, greise Frauen mit geblümten Kopftüchern und gefalteten Händen vor ihren Häusern. Ein fremder Ort in einer anderen Zeit – oder ist die Zeit dort einfach nur stehengeblieben?

Salashi, das ukrainische 800-Seelen-Dorf, umgeben von Bäumen und Wiesen, liegt wenige Kilometer vor polnischem Gebiet und grenzt somit unmittelbar an die europäische Schengen-Zone. Läuft man ein paar Kilometer durch das Walddickicht, stößt man unwillkürlich auf Zäune und Wachposten der ukrainischen Militärbasis. 

Die 33-Jährige ist dort auf der Suche nach dem Geburtshaus ihres Großvaters. Julias Urgroßvater verlässt 1927/28 aufgrund einer großen Hungersnot das damals noch polnische Gebiet, mit dem Versprechen seiner Familie ein besseres Leben in Südamerika zu ermöglichen. 1935 folgen ihm seine vier Söhne – allesamt minderjährig – per Dampfschiff, darunter Julias damals achtjähriger Großvater Rafael. Die Mutter der Brüder sitzt indes aufgrund illegalen Saccharin-Handels im Gefängnis fest. Nach ihrer Freilassung überquert auch sie den atlantischen Ozean. In Buenos Aires beginnt für Julias Großvater Rafael ein neues Leben – 45 Jahre später kommt seine Enkeltochter Julia zur Welt.

Sie ist die Erste der Familie Mensch, die in die ukrainische Heimat zurückkehrt. In Salashi findet sie nicht nur das Geburtshaus ihres Großvaters – eine einfache Holzhütte, die heute als Bibliothek im nahezu unveränderten Zustand dient – sie trifft auf ehemalige Bekannte ihres Großvaters Rafael, die sie willkommen heißen und auch gleich zu hausgemachter Wurst und Schnaps ins Haus einladen.

Der Projektor wirft ein neues Bild an die Wand. Apfelbäume. Eine Wiese voller Äpfel. Moos, dichtes, hohes Gras. Malerische Natur. Eine vertraute Idylle. Julia umringt von Dorfbewohnern.


Die Menschen in Salashi leben in einfachen Verhältnissen. Sie besitzen nicht viel. Doch das Wenige, was sie besitzen, teilen sie. Und so kommt es, dass die Fremde in der Heimat ihrer Ahnen, schwer bepackt, mit Säcken voller Äpfel, aber glücklich ihren Rückweg antritt. Diese Erfahrung und auch ein paar der Früchte lässt sie nun auch in Košice zurück.

Nachtrag

Die Fotos von Julia Mensch sind noch bis Ende April im Pyecka Studio zu sehen. Das Buch über ihre Reise liegt in spanischer Sprache, mit englischer, slowakischer und ukrainischer Übersetzung vor. 

Julia Mensch gehört zu einen der „Artists in Residence“, die im vergangenen Jahr im Rahmen des K-A-I-R Programms einen dreimonatigen Aufenthalt in Košice verbracht haben.

Ich bleibe noch eine Weile auf der Ausstellung und beobachte tief versunken das Drehrad der Dia-Projektoren, im Hintergrund vernehme ich Stimmengewirr unterschiedlicher Sprachen. Das leise Gemurmel verebbt von einem Moment auf den anderen. Einige Mädchen singen ein Volkslied in einer mir fremden, doch dem slowakisch ähnlicher Sprache. Alle lauschen der Melodie, die in der Akustik der hohen Decken des Gewölbebaus zu schweben scheint. Ein magischer Moment.


Von der 20-jährigen Natalia erfahre ich kurze Zeit später, dass sie und ihre Freundinnen zur ruthenischen Minderheit gehören. Mit rund 3000 Ruthenen im Bezirk Košice stellen sie nach Ungarn, Roma und Tschechen die viertgrößte Minderheit in der Ostslowakei dar.

Die 21-jährige L’udmila sagt mir, ihr sei zu Ohren gekommen, Deutsche würden auf Hochzeiten an einem einzigen Glas nippend den ganzen Abend verbringen und fragt mich, ob das denn wirklich wahr sei. Sie lädt mich ein Ende Juni zum zweitägigen Kultur- und Sportfestival in ihre Heimat Medzilaborce zu kommen (hier zum Artikel über meinen Besuch). Dort würde ich lernen, wie man richtig feiere und trinke. Na zdaróvie!

Fotos : Michaela Bottková
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