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Dienstag, 7. Mai 2013

Das Tal, in dem einst Kofola floss


Als ich meinem Großvater von unserer Tour am Wochenende im Slowakischen Karst erzähle, leuchten seine Augen. In der Schlucht Zádielska tiesňava hat er sein ganzes Leben verbracht. Es gibt keinen Gipfel, den er nicht erklommen, keine Wand, die er nicht bezwungen hätte. Alte schwarz-weiße Fotos zeigen ihn in abenteuerlichen Posen auf Felsvorsprüngen mit lässig um die Hüften geschlungenem Seil. 

Wenn er nicht mit seiner Klettertruppe unterwegs war, scheuchte er Kinder und Ehefrau bei Morgengrauen aus dem Bett, um ja noch rechtzeitig vor der Mittagssonne auf dem Hochplateau zu picknicken. 
Genau hier, auf 800 Höhenmetern stehe ich nun und lasse mir den Wind durch die Haare wehen. Mein Blick schweift über die tiefe Schlucht hinweg. Auf der anderen Seite wuchert wildes Grün unter den schneeweißen Karstformationen. Mit seinen scharfen Felsen, den dunklen Höhlen und den dicht bewachsenen Hügeln bildet der Nationalpark eine abenteuerlich-romantische Landschaft. Freier ist nur noch der Vogel, der über unseren Köpfen kreist. Das hier könnte auch Kanada oder Neuseeland sein.


Dabei liegt der Nationalpark nur eine halbe Autostunde von Košice entfernt. Vorbei am Stahlwerk U.S. Steel, dem größten Arbeitgeber der Ostslowakei, durch die Dörfer Čečejovce und Mokrance, fahren wir 40 Kilometer auf der Landstraße in Richtung Südwesten, bis sich die bewaldeten Hügel des Slowakischen Erzgebirges aus der flachen Landschaft erheben. In der Ferne thront die Ruine der Burg Tornau (Turniansky hrad) auf einem Hügel in der Form eines spitzen Kegels.

Kurz danach parken wir auf dem Parkplatz einer Raststätte. Auf dem Handy heißt uns das nur fünf Kilometer entfernte Ungarn willkommen. Wir besteigen den steilen Rundweg bis zu den Ruinen der im 14. Jahrhundert erbauten Burg. Sie wurde 200 Jahre später von den Osmanen besetzt und 1848 durch einen Brand zerstört. Oben auf dem Gipfel sieht man durch die ehemaligen Fenster des Gemäuers in das Dorf Turna Podhradie. Auf dem Weg über den Bergkamm begegnet uns eine Eidechse, die sich in der Sonne wärmt. Geduldig lässt sie das Foto-Shooting über sich ergehen.

Nach dem Aufstieg über einen felsigen Weg erreichen wir das Hochplateau Zadielská planina. Zwei Kilometer führt uns der Weg auf der Hochebene über Wiesen entlang exponierter Aussichten in die 300 Meter tief reichende Schlucht. Wir durchqueren märchenhaft düstere Wälder. Kaum eine Menschenseele begegnet uns. Dafür entdecken wir erneut ein seltenes Reptil: ein schwarz-gelb gemusterter Gelbmolch versteckt er sich hinter einem querliegendem Baumstamm unter dem Laub.

Nach drei Stunden Wanderung ist uns der letzte Tropfen Wasser ausgegangen. Jetzt sehnen wir uns nur noch nach einer Kofola, einem aus kommunistischer Ära stammenden Cola-Abklatsch. Das dunkelbraune Brausegetränk entstand in den frühen 1960er Jahren beim tschechoslowakischen Pharmaunternehmen Galena, welches zu jener Zeit eigentlich nur nach einem Verwendungszweck für den Koffein-Überschuss forschte, der bei der Kaffeeröstung entstand. Wundersamer Weise wird die frisch gezapfte Brühe bis heute gern getrunken. Mehr noch: Sie erfreut sich in den letzten Jahren gerade beim jungen Publikum immer größerer Popularität, wie TV-Spots bezeugen, nicht zuletzt auch bei nostalgielüsternen Emigranten aus Deutschland…Als wir eine Einkehrmöglichkeit unweit der Bergsteigerhütte Zádielska Chata erreichen, müssen wir jedoch feststellen, dass es nur Cola, Fanta und Sprite gibt. Dahin mit der Nostalgie!

Die letzte Etappe führt uns durch das kühle Tal entlang des Wasserfalls. Tosend rauscht der Strom durch das enge Tal. An einigen Stellen ist die Schlucht nur zwei Meter breit. Nach einer halben Stunde erreichen wir die aus wenigen kleinen Häusern bestehende Gemeinde Zádiel. Die Dorfältesten ruhen auf den Bänken vor ihren Vorgärten in der untergehenden Sonne. Hühner gackern in den Ställen, Kinder spielen auf der Straße. Ab und zu rollt ein Auto über den Kiesweg. - Die unverkennbare Kulisse slowakischer Idylle an einem Sommerabend.


Wir haben Glück: den 4,5 Kilometer langen Fußmarsch an der Landstraße entlang bis zur Raststätte, an dem wir das Auto abgestellt haben, müssen wir nicht antreten. Ein freundlicher Autofahrer nimmt uns mit zu unserem Ausgangspunkt der Tour. – Doch davon erzähle ich meinem Großvater lieber nichts…



Fotostrecke

  



 


  

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