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Freitag, 16. August 2013

Ein Stück Heimat im Gepäck


„Fühlst du dich hier Zuhause in der Stadt?“, werde ich oft gefragt. Mit "hier" ist Košice/Kaschau gemeint, die slowakische Stadt, in der ich zufällig geboren wurde. Zuhause. - Ist es das wirklich? Heimat. Welche Bedeutung kommt ihr zu, wenn Menschen meiner Generation ständig ihre Tasche packen und sich auf den Weg machen zum nächsten Projekt. Immer auf Achse. So frei und doch so rastlos zugleich. 

Neulich traf ich Peter Korchnak aus Portland, Oregon. Der gebürtige Kaschauer verließ vor zehn Jahren der Liebe wegen den europäischen Kontinent. Peter erzählte mir, wie er vor Kurzem seinen Job kündigte, sein Haus und Auto verkaufte, und nun ein Jahr lang mit seiner Ehefrau durch die Welt reist. Seiner Meinung nach ist Zuhause dort, wo die eigene Zahnbürste ist. Darüber schreibt er auch auf seinem Blog.

Es stimmt, viel Materielles braucht es gar nicht, um sich wohl zu fühlen, solange einen die Menschen herzlich empfangen. Auf einen Gegenstand könnte ich dennoch nie verzichten: Bei meinem Auszug aus dem Elternhaus bekam ich einen kleinen Espressokocher. Er begleitet mich seitdem auf Schritt und Tritt. Bei jedem Umzug landet er in meinem Rucksack. Und das schon seit acht Jahren.

Immer auf dem „Sprung“ zu sein und mit wenig Gepäck zu reisen, kennt auch József Tamás Balázs, kurz BaJóTa. Der ungarische Künstler hat ebenso wie ich für ein paar Monate in Košice Unterschlupf gefunden. Seinen Aufenthalt verdankt er dem internationalen Programm „K.A.I.R. – Košice Artists in Residence“. Das mehrmonatige Stipendium für Nachwuchskünstler beherbergte seit dem Jahr 2010 etwa 30 ausländische Künstler und schickte 20 junge Slowaken in die Welt.

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich BaJóTa das erste Mal im Fabricafe derTabačka Kulturfabrik“* begegnete. Es war Mitte April und BaJóTa, „der Neue“ Artist in Residence aus Budapest wandelte lautlos ins Café. Sein Gang war so unauffällig, als schwebte er über den Boden. Seine Art sich zu bewegen und zu reden war behutsam und bedächtig. Auf Anhieb erweckte BaJóTa meine Sympathie. 

Wir unterhielten uns über sein künstlerisches Projekt in Košice. Im Unterschied zu anderen kreativen Geistern, versank BaJóTa nicht in ellenlangen Selbstreflexionen über sein Werk, deren tieferen Sinn ich nur im Entferntesten erahnen konnte. Er sinnierte hingegen darüber, wie er seine großen, sperrigen Arbeiten nach Ausstellungsende von A nach B transportieren werde. Der junge Bildhauer berichtete von auseinandernehmbaren Holzelementen und handlichen Papierfalttechniken. Fast enttäuscht war ich von solch unfassbarer Bodenständigkeit eines Künstlers und bemerkte dabei gar nicht, dass die Ausführungen  Gegenstand seines eigentlichen Projektes waren. Zugleich waren sie auch seine intimsten Gedanken und Zweifel. Denn der Künstler erzählte von seinem rastlosen, zuweilen ratlosen Dasein, der fortwährenden Mobilität und Flexibilität, die er sich selbst abverlangte.

Letzte Woche konnte ich mir ein Bild davon machen, als BaJóTas Ausstellung in einer Halle auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik eröffnet wurde.




Der Künstler schreibt über seine Arbeit: “I deal with the subject of leaving your homeland. The keywords linked to the concept of the installation are: home and wanderlust, social integration, modern migration and cultural globalisation.” 

BaJóTa in seinem Studio

BaJóTa inspirieren die mobilen Holzzäune aus seiner Heimat im ländlichen Transsilvanien, mit denen Schafhirten von Wiese zu Wiese zogen. Diese mobilen Zäune und Schindeldächer aus Kiefernholz sind ihm seit Kindesbeinen vertraut. Für das Studium verließ BaJóTa seine Heimat. Jetzt holte er sie ganz nah zu sich zurück, und zwar direkt auf den Rücksitz seines kleinen roten Fiats. Ende August zieht BaJóTa mit seinen Kunstwerken weiter. Auf, zum nächsten Projekt.


Nachtrag


BaJóTas Ausstellung „Utopiatrap“ ist dienstags bis donnerstags von 17-19 Uhr bis zum 31.August zu sehen. (Ort: Strojárenska 3, durchs Eingangstor gelangt man über zwei Innenhöfe zur Ausstellung)

Das leerstehende Fabrikgelände wird von selbständigen Künstlern, Designergruppen u. a. für ihre Arbeiten zu günstigen Mietpreisen genutzt. Die Räumlichkeiten gehören dem Kulturzentrum des Selbstverwaltungsbezirkes Košice, welches dort auch ansässig ist.

Im Innenhof der ehemaligen Tabakfabrik
*Die „Tabačka Kulturfabrik“, befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik in der Nordstadt. Sie hat sich zu DEM Treffpunkt für die junge Künstlerszene entwickelt und stellt das alternative Pendant zur städtischen „Hochkultur“ dar. Neben Parties, Filmabenden, Theatervorstellungen und Vorträgen organisiert sie jährlich das Open Air Festival POKEfest. Die „Tabačka“ bringt ein Stück Industriekultur nach Košice und ist ein lebendiger, unabhängiger Raum für junge Kreative.

Im Innenhof des "Fabricafe Tabačka“
 

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